Arbeitsausbeutung

Im Laufe ihrer Ermittlungen wird Can und Simone in Feinde klar, dass die ermordeten Kölner Roma Opfer brutaler Arbeitsausbeutung waren.

Arbeitsausbeutung ist ein einträgliches Geschäft: Nur im Drogenhandel lassen sich vergleichbare Margen erzielen. Lohnsklaverei boomt daher auch in Deutschland. Nicht nur in der Sexindustrie, auch im Baugewerbe, der Gastronomie, in Schlachtbetrieben, im Pflegebereich und Reinigungssektor sowie im Bereich der privaten Haushaltshilfe und der Saisonarbeit arbeiten viele Arbeitnehmer deutlich länger und für erheblich geringeren Lohn als tariflich festgelegt.

Die meisten von ihnen sind Migranten. Wenn sie nur selten gegen ihre Ausbeuter aufbegehren, dann, weil sie aus ihren Herkunftsländern oft keine besseren Bedingungen kennen, weil sie nicht genügend Deutsch sprechen, oder aber, weil sie Angst vor den Behörden haben und keine Möglichkeit sehen, in Deutschland reguläre Arbeit zu finden. Oft sind die Arbeitsverhältnisse über Schleuser und Vermittler zustande gekommen; die Grenzen zum Menschenhandel sind dabei fließend und viele Betroffene schweigen aus schierer Angst vor ihren Schleppern.

Weil Arbeitsausbeutung vor allem auf Branchen beschränkt ist, in denen Außenkontakte – wenn überhaupt – nur kurz bestehen und Arbeitskräfte traditionell schnell wechseln, wird sie von den wenigsten Deutschen wahrgenommen und bleibt nicht zuletzt deshalb weitgehend unter dem Radar der Mehrheitsgesellschaft.

Einen ersten Einstieg in das Thema bietet das nachstehende Video

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Weiterführende Informationen bietet das Themendossier des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Im Rahmen des Projekts Zwangsarbeit heute – Betroffene von Menschenhandel stärken hat das Institut in unter anderem eine umfangreiche Recherchedatenbank erstellt. Immer noch aktuell ist die dort aufgeführte detaillierte Untersuchung zu Menschenhandel und Arbeitsausbeutung in Deutschland aus dem Jahr 2005.

In Feinde geht es vor allem um Arbeitsausbeutung auf dem Bau. Berichte über dieses Phänomen gehen immer wieder durch die Presse. Exemplarisch zeigen das drei aktuelle Artikel zur Situation südosteuropäischer Bauarbeiter in Deutschland. Die FAZ-Reportage Alles was kommt schildert die Not bulgarischer Bauarbeiter und die Strukturen der „Bulgarenindustrie“ am Beispiel Frankfurt. Ein besonders krasser Fall von Lohnsklaverei flog im Sommer 2009 in München auf: Ein bulgarischer Subunternehmer hatte 44 Landsleute für den Bau eines Münchener Luxushotel angeworben. Die Männer wurden in Containern auf der Baustelle einquartiert und schoben zunächst für einen Stundenlohn von vier Euro Zehnstunden-Schichten. Als der Subunternehmer seine Lohnzahlungen nach einigen Wochen ganz einstellte, waren die Bauarbeiter bereits so abgebrannt, dass sie sich noch nicht einmal mehr die Rückfahrt nach Bulgarien leisten konnten. In ihrer Not begannen sie die Mülltonnen in der Umgebung der Baustelle nach Essensresten zu durchsuchen und erregten so schließlich die Aufmerksamkeit des Zolls.

Geschäftsmäßige Lohnbetrügerei wird allerdings nicht nur von dubiosen Subunternehmern betrieben, sondern auch von bundesweit operierenden Großkonzernen, wie eine Razzia bei der Berliner BSS im Herbst 2011 gezeigt hat, einem Unternehmen, das unter anderem für den Neubau der Frankfurter Börse und das Gewerkschaftshaus der IG Metall in Bochum verantwortlich zeichnete. Bei der Razzia stellten die Zollbeamten neben Luxuswagen auch Waffen, Munition und Drogen sicher. Drei Jahre später fungierte eine Gesellschaft aus dem Dunstkreis der BSS als Generalunternehmer für den Bau einer Berliner Mall. Auch bei diesem Projekt wurden Arbeiter aus Südosteuropa im großen Stil um ihren Lohn geprellt, allerdings gelang es ihnen,  mit gewerkschaftlicher Unterstützung medienwirksam auf ihre Situation aufmerksam zu machen und ihren Lohn einzuklagen.

Was aus diesen Berichten zumeist nicht deutlich wird, ist dass viele der Südosteuropäer, die auf deutschen Baustellen arbeiten, ethnische Roma sind. Ihre Lage ist besonders prekär, weil sie bereits in ihren Herkunftsländern am untersten Rand der Gesellschaft leben und bereit sind, alles zu tun, um den Zuständen in ihrer Heimat zu entkommen. Zu den Sprachproblemen, mit denen auch andere Arbeitsmigranten aus Osteuropa zu kämpfen haben, kommt für Roma hinzu, dass sie oftmals Analphabeten sind und damit noch nicht einmal die Papiere lesen können, mit denen sie ihre Rechte an ihre Schlepper abtreten (vgl. zu diesen Praktiken das Interview mit der Anwältin Nihal Ulusan). Schließlich haben Roma aufgrund der Diskriminierung, die sie sowohl in ihren Herkunftsländern als auch in Deutschland erfahren, noch größere Schwierigkeiten als andere Migranten, außerhalb der Schattenwirtschaft Fuß zu fassen oder ihre Rechte gegenüber Arbeitsausbeutern durchzusetzen. Eine inhaltlich sehr dichte Dokumentation zu fast allen in Feinde angerissenen Themen bietet die ARD-Dokumentation Deutschlands neue Slums (Video leider nicht mehr abrufbar) von Isabel Schayani und Esat Mogul.