Vor zwei Tagen sind die Temperaturen gefallen. Nachts friert es jetzt und auch tagsüber wird es kaum wärmer als drei Grad. Als ich die selbstgemachten Meisenknödel aufhängen will, die ich vor drei Tagen zum Aushärten in einem Plastikbeutel unter meinem Fenster im Hinterhof deponiert habe, ist das dünne Plastik zerfetzt und die Knödel sind zerkratzt und angenagt. Im vergangenen Jahr habe ich etwa um diese Zeit regelmäßig eine Haselmaus im Hof beobachtet. Gerne möchte ich glauben, dass sie an den Knödeln war, aber die Spuren deuten auf ein größeres Tier. Was das heißt, ist klar und sofort befällt mich schlechtes Gewissen, denn natürlich war es fahrlässig, die Klumpen aus Fett und Getreide nahezu ungeschützt im Hof auszulegen. Schuldbewusst hänge ich die Knödel für das Tier, wie ich hoffe, unerreichbar am Zaun und im Holunder auf. Beim Entsorgen der zerfetzten Tüte, entdecke ich hinter den gelben Tonnen einen frischen Sandhaufen und ein Loch von etwa sieben Zentimeter Durchmesser. Wie damit umgehen? Hausverwaltung. Schädlingsbekämpfer. Kein Vertun. Wäre da nicht die Erinnerung an eine sterbende Ratte zu einer anderen Zeit und in einem anderen Berliner Hinterhof. Seitdem weiß ich, dass die Mär vom schmerzlos tötenden Rattengift Augenwischerei ist. Das schlechte Gewissen potenziert sich.